Anhang IV Hinweise zur Nachhaltigkeit und Ökologie von Flachdächern und Abdichtungsbahnen

IV.1 Allgemeines (#ddbau10635)

Während ihrer Nutzungsdauer werden Dachabdichtungen zahlreichen und hohen Einwirkungen wie UV-Strahlung, Regen, Schnee, Eis und Wind sowie Bewegungen und Belastungen durch die Tragkonstruktion ausgesetzt.

Für den Bauherren lohnt sich deshalb die Investition in Qualität, denn eine Dachabdichtung mit einer langen Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten ist sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich nachhaltiger. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsbetrachtung, die auch immer eine Lebens-Zyklusanalyse ist, werden Dachsysteme, die seltener erneuert und gewartet werden müssen, immer günstiger bewertet: Sie sparen sowohl Energie als auch Ressourcen.

Zum Profil eines Bauproduktes gehört seine Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus. Die im vdd organisierten Hersteller stehen dabei für hohe Produktqualität und damit Funktionalität, eine lange Nutzungszeit und die ökologische Optimierung der Rohstoffzusammensetzung sowie die Verbesserung des Herstellprozesses. Die gemeinschaftliche Arbeit und der fachliche Austausch im vdd-Ausschuss Umwelt sowie z. B. die aktive Mitarbeit bei der Erarbeitung von PCRs (Product Category Rule) und EPDs (Environmental Product Declaration) verdeutlichen das Engagement im Bereich der nachhaltigen Entwicklung und Ökologie der im vdd zusammenarbeitenden Hersteller.

Zur Gesamtheit aller Baustoffe eines Bauwerks tragen die Abdichtungsbahnen nur einen geringen Anteil bei. Bei der Nachhaltigkeits-Zertifizierung eines Gebäudes ist daher der Einfluss der Abdichtungsschicht von eher untergeordneter Bedeutung, dennoch gibt es durchaus Aspekte, die einen Einfluss auf die Bewertung der Nachhaltigkeit haben.


IV.2 Nachhaltigkeit (#ddbau10636)

IV.2.1 Allgemeines (#ddbau10637)

Die grundlegende Definition zur Nachhaltigen Entwicklung wurde 1987 von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development (WCED)) der UN im Zukunftsbericht „Our Common Future“ („Unsere gemeinsame Zukunft“) etabliert.


IV.2.2 Drei-Säulen-Modell (#ddbau10638)

Die Definition zur Nachhaltigkeit, bei der soziale, ökologische und ökonomische Ziele gleichrangig angestrebt werden, gilt als Fundament für globale politische Strategien.

Mit dem Brundtlandt-Bericht und der 1992 folgenden UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (auch als Erdgipfel oder Rio-Konferenz bekannt) verankerte sich diese Definition zur Nachhaltigkeit.

Wichtige Ergebnisse der Rio-Konferenz sind unter anderem die Agenda 21 als Leitpapier zur Nachhaltigen Entwicklung und die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Mit der im Jahr 2015 verabschiedeten Agenda 2030 hat sich die Weltgemeinschaft unter dem Dach der Vereinten Nationen zu 17 globalen Zielen für eine bessere Zukunft verpflichtet (siehe Abbildung #ddbau01889). Dies umfasst ökonomische, ökologische und soziale Aspekte.

Der Ansatz der Gleichwertigkeit und Gleichzeitigkeit von Ökologie, Ökonomie und Sozialem wurde als Drei-Säulen-Modell (siehe Abbildung #ddbau01891) u. a. auch von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages 1998 weiter festgeschrieben.

Ein weiterer bedeutender Schritt in Richtung nachhaltiger Entwicklung erfolgte 2020 mit der Verabschiedung der europäischen Taxonomie, ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten, das von der Europäischen Union entwickelt wurde. Dieses System zielt darauf ab, Investitionen in nachhaltige Projekte zu fördern und „Greenwashing“ zu vermeiden. Dieses Instrument soll dazu beitragen, den europäischen Green Deal und die Klimaziele der EU zu erreichen, indem es Klarheit und Transparenz für Investoren schafft und den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft unterstützt.


IV.2.3 Das nachhaltige Dach ist ein Flachdach (#ddbau10639)

IV.2.3.1 Allgemeines (#ddbau10640)

Trotz ihrer zahlreichen Vorteile werden Flachdächer noch immer zu wenig genutzt und ihr Potenzial oft unterschätzt. Dabei können sie einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung von Klimaerwärmung, CO2-Emissionen, Stromengpässen, Insektensterben, Wärmeverlusten, Feinstaubbelastungen und den Auswirkungen von Extremwettern leisten. Sowohl bestehende als auch neue Flachdächer bieten vielfältige Nutzungsmöglichkeiten wie beispielsweise als Grün- oder Retentionsdach, als Aufstellort für PV- und Solaranlagen oder zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum.

Dabei ist es immer erst die Dachabdichtung, z. B. auf Basis von Bitumen- und Polymerbitumenbahnen oder Kunststoff- und Elastomerbahnen, die durch ihr jeweiliges Funktions- und Leistungsprofil die technische Voraussetzung für die nachhaltige Nutzung des Bauteils Dach bietet. Bei der Auswahl der Baustoffe unter dem Nachhaltigkeitsaspekt sind vor allem die technische Leistungsfähigkeit und eine lange Nutzungszeit sehr maßgebliche Faktoren.

Jedes menschliche Handeln, sei es groß oder klein, hat Auswirkungen auf die natürliche Welt, in der wir leben. Alle Bauprojekte hinterlassen ihre Spuren und beeinflussen die ökologischen und sozialen Systeme. In unserer Zeit, in der diese Auswirkungen immer deutlicher werden, gewinnt das Konzept der Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung.
Die gesamtheitliche Bewertung der Nachhaltigkeit beruht auf dem Zusammenwirken von Planung, Konstruktion und Baustoffauswahl sowie der baupraktischen Ausführung. Ein isolierter Vergleich von Bauprodukten ist hinsichtlich der Nachhaltigkeit zumeist nicht zielführend. 


IV.2.3.2 Vom Schutzdach zum Nutzdach (#ddbau10641)

In der Vergangenheit wurden Dächer hauptsächlich als Schutz vor Witterungseinflüssen konzipiert, ohne weitere Funktionen zu erfüllen - ihre Hauptaufgabe bestand darin, das Gebäude vor Regen, Schnee und Sonneneinstrahlung zu schützen. Daneben fand das Dach als fünfte Fassade oft nur aus gestalterischen Aspekten Beachtung.

Die Idee des genutzten Flachdaches gewinnt seit Jahren zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Architekten, Stadtplaner und Bauherren erkennen, dass Dächer ein beträchtliches Potenzial bieten, um Nachhaltigkeitsziele zu fördern und die Lebensqualität in städtischen Umgebungen zu verbessern. Dächer werden zu Flächen, die nicht nur Schutz bieten, sondern auch zur Energieerzeugung, Retention, Biodiversitätsförderung und sozialen Interaktion genutzt werden können.


IV.2.3.3 Relevante Aspekte für die Nachhaltigkeitsziele (#ddbau10642)

Dächer können maßgeblich dazu beitragen, CO2-Emissionen zu reduzieren, die Biodiversität zu fördern, den Energieverbrauch zu senken und das städtische Lebensumfeld zu verbessern. 

Durch die Integration von Nutzdächern in Gebäudeprojekte kann der Flächenverbrauch reduziert werden. Flachdächer bieten zusätzliche nutzbare Flächen für verschiedene Zwecke wie Dachterrassen, Sportflächen oder Gemeinschaftsgärten, was zu einer Verbesserung der Lebensqualität und der sozialen Interaktion in städtischen Umgebungen beiträgt.

Dachbegrünungen schützen die Dachabdichtung vor witterungsbedingten Einwirkungen und sorgen somit für eine längere Nutzungsdauer. Durch eine längere Nutzungsdauer werden Rohstoffe gespart, was dazu beiträgt, den CO2-Ausstoß zu verringern. Dachbegrünungen sind eine zusätzliche Schicht, die zur Wärmedämmung von Gebäuden beitragen kann, wodurch der Energieverbrauch für Heizung und Kühlung reduziert wird.

Grün- und Retentionsdächer fungieren als Regenwasserrückhaltesysteme, indem sie Regenwasser zurückhalten und/oder den Wasserabfluss verzögern, was einerseits zur Reduzierung von Überflutungen und andererseits zur Unterstützung der Wasserversorgung beiträgt. Sie sind Bestandteil des Konzepts der "Schwammstadt", die Integration von grüner Infrastruktur in die urbane Umgebung, um die natürliche Wasseraufnahme und -speicherung zu fördern. In einer Schwammstadt wird Regenwasser durch verschiedene Maßnahmen wie durchlässige Oberflächen, Versickerungsmulden, Biotope und künstliche Feuchtgebiete effektiv aufgenommen und gespeichert.

Dachbegrünungen mit einer Vielzahl von Pflanzenarten können Lebensräume für verschiedene Arten schaffen und zur Erhaltung der Biodiversität in städtischen Gebieten beitragen. Gründächer tragen zur Verbesserung der Luftqualität bei, indem sie Feinstaub binden und CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Sie bieten auch Verdunstungskühlungseffekte, regulieren das Mikroklima und reduzieren Lärm, was wiederum das Wohlbefinden der Menschen verbessert.

Die Installation von Photovoltaik(PV)-Anlagen auf Dächern ermöglicht die Erzeugung von sauberer, erneuerbarer Energie und trägt somit zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes und zur Förderung nachhaltiger Energiequellen bei.

Diese Beispiele verdeutlichen die vielfältigen Möglichkeiten, wie Nutzdächer zur Erreichung verschiedener Nachhaltigkeitsziele beitragen können, von der Förderung erneuerbarer Energien bis zur Schaffung lebenswerter städtischer Umgebungen.


IV.2.3.4 Maßnahmen während der Nutzungsdauer (#ddbau10643)

Die möglichst lange Nutzungsdauer ist ein wesentlicher Faktor für die Bewertung der Nachhaltigkeit eines Gebäudes bzw. Daches. Daher sind Wartung und ggf. Instandhaltung des Daches während der Nutzungsdauer unabdingbar zur Erzielung der maximalen Nachhaltigkeitsperformance.

Dächer müssen regelmäßig gewartet werden, siehe Kapitel 3.9. 


IV.3 Gebäudezertifizierungen (#ddbau10644)

Ziel des nachhaltigen Bauens ist der Schutz unserer Umwelt, der effiziente Umgang mit Ressourcen (z. B. Energie), Schutz von Gesundheit, unserer Kultur aber auch des eingesetzten Kapitals. Im Rahmen einer Nachhaltigkeitsbetrachtung werden ökologische, ökonomische sowie soziokulturelle Aspekte erfasst. Dabei spielen die Betrachtungen des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden sowie technische und prozessuale Aspekte eine wichtige Rolle.

In Deutschland stellen die Bewertungssysteme der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. (DGNB) sowie das Bewertungssystem des Bundesbauministeriums für Bundesgebäude (BNB) den Rahmen für Planung und Ausführung der unterschiedlichen Gebäudearten wie Büro- und Verwaltungsbauten, Wohnbauten, Industriegebäude und Bildungsbauten. Diese Bewertungssysteme sind darauf ausgerichtet, mit einem ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz, Gebäude unter wissenschaftlich fundierten Gesichtspunkten zu bewerten.

Kernstück ist dabei die Ökobilanzierung und Lebenszyklusanalyse (LCA – Life Cycle Assessment), in der Baustoffe und Bauprodukte erfasst und ihr Ressourcenbedarf sowie die möglichen Umweltauswirkungen untersucht werden.


IV.4 Ökobilanz und Lebenszyklusanalyse (#ddbau10645)

Die Ökobilanz, auch bekannt als Life Cycle Assessment (LCA), bietet eine umfassende Möglichkeit, die Umweltauswirkungen von Produkten und Bauwerken zu quantifizieren, indem sie den gesamten Lebenszyklus betrachtet und verschiedene Umweltperspektiven einbezieht. Diese berücksichtigt verschiedene Faktoren wie die Herstellung der Baustoffe, den Bauvorgang, den Betrieb des Gebäudes, einschließlich Energieverbrauch und Wassernutzung, sowie Rückbau, Wiederverwendung, Recycling oder Entsorgung am Ende der Nutzungsdauer.

Die Summe aus Ressourcenverbrauch und Emissionen wird unter Berücksichtigung der Umwelteinwirkungen wissenschaftlich zu Indikatoren umgerechnet. Dadurch wird es möglich, den Umweltbeitrag von Stoffen oder Prozessschritten zu identifizieren, Alternativen ökologisch miteinander zu vergleichen, Kennzahlen für ökologisches Produktdesign zu finden und Umweltkennzahlen zu deklarieren.

Die Ökobilanz ist ein wertvolles Instrument, um nachhaltige Entscheidungen in Bezug auf Produkte und Prozesse zu treffen und die Umweltbelastung zu minimieren. Durch eine fundierte Analyse können Unternehmen, Regierungen und Verbraucher besser informierte Entscheidungen treffen, die langfristig zu einer positiven Umweltbilanz führen.


IV.5 Umweltkennzeichnungen (#ddbau10646)

IV.5.1 Allgemeines (#ddbau10647)

Umweltkennzeichnungen bieten Anwendern wichtige Umweltinformationen über Produkte. Sie dienen dazu, die Qualität von Produkten zu verbessern und Anreize für umweltfreundliche Entscheidungen zu schaffen. Es gibt verschiedene Arten von Umweltzeichen:

Typ-I-Umweltzeichen: Sie identifizieren Produkte, die bestimmte Umwelt- oder Gesundheitsstandards erfüllen. Diese werden von unabhängigen Vergabestellen festgelegt und geprüft. Sie eignen sich vor allem für Produkte, bei denen ein direkter Vergleich verschiedener Produkte möglich und sinnvoll ist, wie z. B. elektronische Geräte, Reinigungsmittel und andere Verbrauchsmaterialien.

Typ-II-Umweltzeichen: Selbstdeklaration durch Hersteller oder Händler. Da Anbieter selbst bestimmen können, wie viele und welche Produktmerkmale sie hervorheben wollen, muss der Anwender prüfen, ob sich die gewählten Kriterien auf die von ihm gewünschten Eigenschaften beziehen.

Typ-III-Umweltzeichen: Transparent, umfassend und unabhängig verifiziert. Basierend auf Ökobilanzen bieten sie detaillierte Umweltinformationen über Produkte. Sie werden von unabhängigen Stellen geprüft und bieten eine hohe Vertrauenswürdigkeit.
Beispiel für ein TYP-III-Umweltzeichen ist die Umweltproduktdeklaration (EPD).


IV.5.2 Umweltproduktdeklaration EPD (#ddbau10648)

Die Umweltproduktdeklarationen, auch bekannt als EPDs (Environmental Product Declarations), sind wesentliche Instrumente, die Planern die Informationen liefern, die für "nachhaltige Entscheidungen" benötigt werden.

EPDs fungieren als Kommunikationsinstrument, das relevante Umweltinformationen formalisiert und verifiziert produktbezogen zur Verfügung stellt. Sie enthalten zwei Hauptkomponenten: eine Beschreibung des Produktlebenszyklus und die Ergebnisse der Ökobilanz. EPDs liefern keine Bewertung der Produkte selbst, sondern dienen der geregelten Kommunikation von Informationen und als Datengrundlage bei der Gebäudezertifizierung.

Die Ökobilanzergebnisse werden in Form von Umweltindikatoren präsentiert. Diese umfassen unter anderem die Menge an nicht-erneuerbarer und erneuerbarer Primärenergie im Produkt, den Carbon Footprint (Treibhauspotenzial) sowie Indikatoren für Umweltaspekte wie Ozonschichtabbau, Sommersmog, Waldsterben und Überdüngung von Boden und Gewässern.

Die Umweltproduktdeklaration (EPD) ist in der Norm EN 15804 geregelt, die spezifischen Anforderungen und Richtlinien für die Erstellung von EPDs festlegt. Diese Norm stellt sicher, dass EPDs gemäß international anerkannten Standards erstellt werden und eine einheitliche Methode für die Bewertung der Umweltauswirkungen von Produkten gewährleistet ist.

Product Category Rules (PCR) legen für jede Produktgruppe die spezifischen Anforderungen und Kriterien für die EPD-Erstellung fest.

Durch die Bereitstellung dieser umfassenden Umweltinformationen ermöglichen EPDs eine fundierte Entscheidungsfindung und tragen dazu bei, dass Produkte und Gebäude entlang ihres gesamten Lebenszyklus nachhaltiger gestaltet werden können.


IV.6 Baustoffliche Aspekte (#ddbau10649)

IV.6.1 Allgemeines (#ddbau10650)

Sowohl Polymer- und Bitumenbahnen als auch Kunststoff- und Elastomerbahnen bieten überzeugende Lösungen für nachhaltige Dachabdichtungen. Die Wahl zwischen den beiden Stoffgruppen und dem individuellen Produkt hängt von den spezifischen Anforderungen und Präferenzen im Bauwesen ab. Detaillierte Umweltinformationen zu den Produkten und Produktgruppen können über den jeweiligen Hersteller bezogen und den entsprechenden EPDs entnommen werden.


IV.6.2 Polymerbitumen- und Bitumenbahnen (#ddbau10651)

IV.6.2.1 Allgemeines (#ddbau10652)

Hauptrohstoff für die Herstellung von Polymerbitumen- und Bitumenbahnen ist das Bitumen. In der Natur findet man Bitumen in Form von sog. Naturasphalten. Großtechnisch wird Bitumen heute aus Erdöl gewonnen, das meist in großer Tiefe lagert und durch Bohrungen zutage gefördert wird.


IV.6.2.2 Bitumen ist nicht Teer (#ddbau10654)

(1) Bitumen wird umgangssprachlich fälschlicherweise oft mit Teer gleichgesetzt. Bitumen und Teer sind beide zwar dunkelfarbig und wasserunlöslich, chemisch jedoch völlig unterschiedliche Stoffe. Bitumen ist ein Erdölprodukt, während Teer durch die Pyrolyse von Steinkohle gewonnen wird.

(2) Seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts war der Anteil an Teer- bzw. Teersonderbahnen am gesamten Dachbahnenmarkt verschwindend gering. Seit 1979 ist das für die Herstellung von Polymerbitumen- und Bitumenbahnen verwendete Bitumen völlig frei von Teer und Teerprodukten. Ebenso werden keine Teerdachbahnen mehr hergestellt.


IV.6.2.3 Unbedenklichkeit von verlegten Polymerbitumen- und Bitumenbahnen (#ddbau10655)

Neben arbeitsplatzbezogenen Analysen wurden auch Laboruntersuchungen hinsichtlich PAK-Emissionen von Bitumen bei Temperaturen von 80 °C bzw. 190 °C durchgeführt. Die Versuchsbedingungen wurden dabei so gewählt, wie sie in der Praxis kaum erreicht werden dürften. Die Auswertungen zeigten für alle gewonnenen und überprüften Substanzen keinerlei Anhaltspunkte für eine mutagene Wirkung (80 °C). Selbst bei sehr hohen Temperaturen (190 °C) konnte Benzo(a)pyren nicht nachgewiesen werden[1][2].

Untersuchungen der Universität in Gießen[3] zeigen, dass Dämpfe und Aerosole aus Bitumen erst bei einer Mindesttemperatur von 80 °C nachweisbar sind. Unterhalb dieser Temperatur sind diese auch mit den neuesten Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar. Die bei 80 °C gemessenen Konzentrationen von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen sind so niedrig, dass sie nur geringfügig über der Nachweisgrenze der empfindlicheren Analyseverfahren liegen.


IV.6.3 Kunststoff- und Elastomerbahnen (#ddbau10656)

IV.6.3.1 Allgemeines (#ddbau10657)

Für die Herstellung von Kunststoff- und Elastomerbahnen dienen verschieden Polymere als namensgebende Bestandteile der unterschiedlichen Bahnentypen, siehe 2.3.

Die Kunststoffindustrie nutzt verschiedene Rohstoffquellen wie Erdöl und Erdgas, für die Herstellung der benötigten Polymere. Die Eigenschaften der Kunststoff- und Elastomerbahnen wie z. B. Temperatur- und Witterungsbeständigkeit werden durch Zusatz von Stabilisatoren positiv beeinflusst.

Um z. B. PVC-Bahnen weich, biegsam und dehnbar zu machen werden Weichmacher hinzugefügt.


IV.6.3.2 Zusatzstoffe (#ddbau10658)

Die verwendeten Stabilisatoren sind schon seit den 1980er-Jahren frei von Schwermetallen wie Blei und Cadmium.

Die heute bei PVC-P-Bahnen eingesetzten hochmolekularen Weichmacher (High Molecular Weight Plasticizers) sind weder umweltgefährdend noch humantoxisch und von der European Chemicals Agency (ECHA) nicht als bedenklich eingestuft, d. h. sie sind keine besonders besorgniserregenden Stoffe (substances of very high concern – SVHC) aus der REACH-Kandidatenliste.[4]


IV.6.4 Niederschlagswasser von Abdichtungsbahnen (#ddbau10659)

IV.6.4.1 Allgemeines (#ddbau10660)

Bitumen enthält keine wasserlöslichen oder wasserbelastenden Stoffe.  Aufgrund dieser Eigenschaften ist Bitumen, ebenso wie die in den Polymerbitumenbahnen verwendeten Polymere, von der Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe als nicht wassergefährdend eingestuft (Umweltbundesamt, Bitumen Kenn-Nr. 326).

Auch Kunststoffe wurden aufgrund ihrer Eigenschaften von der Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe als nicht wassergefährdend eingestuft (Umweltbundesamt, Kunststoffe Kenn-Nr. 766).

Eine ausführliche Liste zum Thema Wassergefährdung und Wassergefährdungsklassen ist auf der Internetseite des Umweltbundesamtes unter www.umweltbundesamt.de hinterlegt.


IV.6.4.2 Wurzelschutzmittel (#ddbau10661)

Polymerbitumenbahnen, die mit Wurzelschutzmitteln ausgerüstet sind, müssen den Nachweis der Unbedenklichkeit des Auswaschverhaltens im Falle der Versickerung 
des Dachablaufwassers erbringen. Alle im Gutachten des DIBt Nr. G-101-18-0008[5] genannten Bahnen erfüllen diese Anforderungen ohne weiteren Nachweis.
     
Bei Kunststoff- und Elastomerbahnen ist es in der Regel nicht erforderlich, diese mit Wurzelschutzmitteln auszurüsten, da sie aufgrund der Materialeigenschaften einen ausreichenden Schutz gegen Durchwurzelung bieten können.


IV.6.5 Unbedenklichkeit bei der Verarbeitung (#ddbau10662)

IV.6.5.1 Polymerbitumen- und Bitumenbahnen (#ddbau10663)

(1) Bei der Verarbeitung von Polymerbitumen- und Bitumenbahnen im Schweiß- bzw. Gießverfahren unterschreiten die gemessenen Luftkonzentrationen von Benzo(a)pyren, der Leitsubstanz Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK), den in Deutschland geltenden Grenzwert von 70 ng/m³ (siehe TRGS 910) deutlich.

(2) Ergänzend zu diesen Untersuchungen wurden von der Bauberufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Messungen der Konzentrationen von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen bei der Heißverarbeitung auf der Baustelle unter üblichen Arbeitsbedingungen vorgenommen. Die Ergebnisse sind in sogenannten Expositionsbeschreibungen zur Überwachung von Arbeitsbereichen z. B. „Schweißen von Bitumenbahnen“ veröffentlicht[6]. Dabei zeigt sich, dass beim Schweißen von Polymerbitumen- und Bitumenbahnen die ermittelten Konzentrationen von Dämpfen und Aerosolen aus Bitumen bei 2,7 mg/m³ liegen. Dies sind tätigkeitsbezogene Expositionen ohne Berücksichtigung der Expositionsdauer. Berücksichtigt man die üblichen Arbeits-/Expositionszeiten auf der Baustelle, liegt die Exposition der jeweiligen Arbeiter schon heute unter dem in der TRGS 900 festgelegten und ab 2025 verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwert von 1,5 mg/m³.


IV.6.5.2 Kunststoff- und Elastomerbahnen (#ddbau10664)

Die Nahtverschweißung der Bahnenüberlappung erfolgt in der Regel mit Heißluft[6] (Warmgas). Hierbei sind auf dem Dach keine besonderen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz des Verarbeiters zu treffen.

Bei der Nahtfügung mit Quellschweißmittel[6] sind folgende Punkte zu beachten:

  • Kontakt mit Haut und Augen vermeiden,
  • Handschuhe tragen,
  • nicht rauchen, kein offenes Feuer, Funkenbildung vermeiden,
  • Dämpfe nicht einatmen, nur im Freien bzw. in gut belüfteten Räumen einsetzen.

IV.6.6 Nach der Nutzungszeit/Recycling (#ddbau10665)

IV.6.6.1 Allgemeines (#ddbau10666)

Lose verlegte Dachaufbauten (unter Auflast verlegt oder mechanisch befestigt) eignen sich für einen sortenreinen Rückbau. Bei verklebten Dachaufbauten sind Kleberrückstände und Anhaftungen von Fremdstoffen unvermeidbar. Diese können ggf. durch eine entsprechende Aufbereitung entfernt werden.

Eine thermische Verwertung der Abdichtungsbahnen nach Ende der Nutzungszeit ist ebenfalls möglich. Die Verwertung in Verbrennungsanlagen liefert die in den deklarierten Produkten enthaltene Energie zurück.


IV.6.6.2 Kunststoff- und Elastomerbahnen (#ddbau10667)

Nach einer gründlichen Reinigung erfolgt das stoffliche Recycling durch Zerkleinerung und Separierung. Danach werden die Altkunststoffe in den Stoffkreislauf rückgeführt und für die Herstellung von neuen Produkten wie z. B. Bodenschutzmatten verwendet. Die durch die ESWA (European Single ply Waterproofing Association) vertretenen Hersteller beteiligen sich an der freiwilligen Selbstverpflichtung, zunehmende Mengen von Kunststoffbahnen am Ende ihrer Nutzung werkstofflich zu verwerten. ESWA hat dazu ROOFCOLLECT®, das Sammelsystem für Kunststoffdach- und Dichtungsbahnen, eingeführt.


IV.6.6.3 Polymerbitumen- und Bitumenbahnen (#ddbau10668)

Polymerbitumen- und Bitumenbahnen können nach entsprechender Zerkleinerung und Aufbereitung auch dem Recycling zugeführt und z. B. beim Straßen- und Asphaltbau eingesetzt werden.


IV.6.7 Entsorgung (#ddbau10669)

IV.6.7.1 Allgemeines (#ddbau10670)

Generell ist die stoffliche Verwertung (Recycling-Route) der thermischen Verwertung (Müllverbrennungsanlage (MVA)-Route) vorzuziehen.


IV.6.7.2 Polymerbitumen und Bitumenbahnen (#ddbau10671)

IV.6.7.2.1 Allgemeines (#ddbau10672)

Abfälle aus Polymerbitumen- und Bitumenbahnen werden nach der gültigen Fassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes einer Entsorgung zugeführt. Bahnen und Bahnenreste können der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) Nummer 17 03 02 „Bitumengemische“ zugeordnet werden.


IV.6.7.2.2 Beseitigung teerhaltiger Produkte (#ddbau10673)

Beim Abriss von Altdächern, bei denen der Verdacht besteht, dass teerhaltige Produkte verarbeitet wurden, ist eine entsprechende Prüfung erforderlich. Werden teerhaltige Produkte rückgebaut, sind diese gem. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unter der AVV-Nummer 17 03 03 „Teer und teerhaltige Produkte“ zu beseitigen. Regionale Abfallsatzungen sind zu beachten.


IV.6.7.2.3 Bitumenbahnen und Asbest (#ddbau10674)

In der Vergangenheit kam es vor, dass Entsorgungsunternehmen den Nachweis der Asbestfreiheit von Abrissmaterialien verlangten. Dies betraf auch Dächer, die mit Bitumenbahnen abgedichtet wurden. Seit 1995 ist die Verwendung und Herstellung von Asbest in Deutschland generell verboten. Eine Umfrage unter den Mitgliedern des vdd ergab, dass nur einige wenige Hersteller bei der Herstellung von Bitumenbahnen bis zum Ende der 70er Jahre Asbest verwendet haben. Nach Bekanntwerden der gesundheitlichen Auswirkungen von Asbestfasern wurde von allen Mitgliedsunternehmen des vdd spätestens seit 1979 auf die Verwendung von Asbest verzichtet.

Die Entsorgung solcher Abrissmaterialien ist im jeweiligen Einzelfall mit dem Entsorgungsunternehmen oder der entsorgungspflichtigen Körperschaft abzustimmen.


IV.6.7.3 Kunststoff- und Elastomerbahnen (#ddbau10675)

Abfälle aus Kunststoff- und Elastomerbahnen werden nach der gültigen Fassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes einer Entsorgung zugeführt. Bahnen und Bahnenreste können der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) Nummer 17 09 04: „Gemischte Bau- und Abbruchabfälle“ oder Nummer 20 01 39: „Kunststoffe“ oder Nummer 07 02 13 „Kunststoffabfälle“ zugeordnet werden.


IV.7 Initiativen der Hersteller und der Branche (#ddbau10676)

Die Industrie setzt sich zunehmend für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft ein, um die Umweltauswirkungen zu minimieren[7].

Der vdd Industrieverband Dach und Dichtungsbahnen e. V. hat einen Ausschuss-Umwelt. Dieser setzt sich aus Experten der Mitgliedsunternehmen zusammen und dient als Informationsplattform für die Themen Nachhaltigkeit, nachhaltige Entwicklung sowie der aktiven Projektarbeit zu den Themen Abfallvermeidung sowie dem Sammeln und Recyceln von Abdichtungsbahnen.

Darüber hinaus treiben Normungsexperten des vdd und aus dem Kreis der Hersteller im CEN/TC 254 Abdichtungsbahnen die Entwicklung europäischer Umwelt-Normen, z. B. für Produktkategorieregeln und dem „Design for Recycling“ voran.


IV.8 Literatur – Anhang IV (#ddbau10677)

[1] Prof. Dr. med. H. Sonntag, Gutachterliche Stellungnahme zur Frage der gesundheitlichen Relevanz von Emissionen aus Bitumen-Dachbahnen bei Temperaturen von bis zu 80 °C, Hygiene-Institut der Universität Heidelberg, November 1989.

[2] Prof. Dr. med. H. Sonntag, Dr. rer. nat. L. Erdinger, Gutachterliche Stellungnahme zur Frage der gesundheitlichen Bedeutung von Emissionen mutagener Verbindungen aus Heißbitumen bei 190 °C.
Hygiene-Institut der Universität Heidelberg, September 1992.

[3] Knecht, U.; Stahl, S.; Woitowitz, H.-J.: „Handelsübliche Bitumensorten: PAH-Messgehalte und temperaturabhängiges Emissionsverhalten unter standardisierten Bedingungen“, Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, S. 429 – 434, 1999

[4] REACH
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe.

[5] DIBt-Gutachten über die Einhaltung bauaufsichtlicher Anforderungen an bauliche Anlagen bei Einbau des Bauprodukts Bitumendachbahnen Wurzelschutzbahn Nr. G-101-18-0008 vom 18.04.2019.

[6] Expositionsbeschreibungen zur Überwachung von Arbeitsbereichen „Schweißen von Bitumenbahnen“, "Schweißen von PVC-Bahnen im Freien mit THF-haltigen Quellschweißmitteln" und "Warmgas-Schweißen von PVC-Bahnen im Freien", www.bgbau.de/gisbau/fachthemen/expo.

[7] Gemeinsames Leitbild einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen, www.vci.de/presse/pressemitteilungen/gemeinsames-leitbild-zur-kreislaufwirtschaft-mit-kunststoffen-industriezusammenschluss.jsp