Retention beim Flachdach

Extreme Niederschlagsmengen kontrolliert ableiten

Aufgrund des Klimawandels häufen sich die Extremwetter-Ereignisse. Dazu gehört auch anhaltender Starkregen – und dieser führt die Entwässerungssysteme schnell an ihre Belastungsgrenzen. Was dagegen hilft: Retention auf dem Flachdach. Mit diesem Funktionsprinzip sinkt das Überschwemmungsrisiko, während sich zugleich die lokalen klimatischen Bedingungen und die Energieeffizienz des Gebäudes verbessern.

Damit das Retentionsdach sicher und langfristig funktioniert, müssen die Bauverantwortlichen wichtige Details berücksichtigen. Die Berücksichtigung zusätzlicher Lasten bei der Planung zählt ebenso dazu wie der entsprechende zweckmäßige Aufbau mit einer wurzelfesten Dachabdichtung.

1. Funktionsweise des Retentionsdaches

Retention, abgeleitet von lateinisch „retentio“, bedeutet Zurückhalten. Im Gegensatz zu einem ungenutzten Flachdach speichert das Retentionsdach das Regenwasser zunächst, um es anschließend verzögert in die Kanalisation weiterzuleiten. Dies geschieht in einem definierten Zeitraum, der mehrere Stunden oder sogar Tage betragen kann.

So sieht ein typischer Retentionsprozess bei einem mehrschichtigen Dachaufbau aus:

  1. Zunächst fängt die trockene Vegetationstragschicht des Daches das Wasser auf. Ihre Speicherkapazität ist bei üblichen Niederschlagsmengen ausreichend, um die darunterliegende Retentionsschicht leer zu halten.
  2. Erst im Falle einer gesättigten Vegetationsschicht, zum Beispiel infolge von Starkregen, fließt das Wasser weiter in die Retentionsschicht, wo es von Retentionselementen zwischengespeichert wird.
  3. Eine statische Drossel am Ablauf reguliert die Abgabe des Regenwassers so, wie vom Immobilieneigentümer gewünscht. Dadurch gelangt das Wasser in der vorgegebenen Ableitmenge (l/s) zeitverzögert in die Kanalisation oder in dezentrale Versickerungsanlagen.
  4. Durch das abgelaufene Wasser wird in den Retentionselementen wieder Speicherplatz für mögliche nächste Starkregenfälle frei.

Wie funktioniert ein Retentionsdach?

Ein Retentionsdach speichert Niederschlagswasser temporär, bevor es kontrolliert in die Kanalisation oder dezentrale Versickerungssysteme abgegeben wird. Spezielle Retentionselemente im Dachaufbau regulieren die Abflussmenge, indem sie das Wasser zwischenspeichern und zeitverzögert ableiten. Dadurch werden Überlastungen der Kanalisation reduziert und gleichzeitig Verdunstung sowie eine natürliche Kühlung des Gebäudes gefördert.


2. Vorteile des Retention-Flachdachs

Ob ökologisch, ökonomisch, städtebaulich oder bautechnisch: Das Retentionsdach bietet Mehrwerte wie ein Gründach und steigert sie zusätzlich.

Entlastung der gebäudeeigenen Entwässerungssysteme

Da das Retentionsdach das Niederschlagswasser zurückhält und kontrolliert ableitet, entlastet es die gebäudeeigenen Entwässerungssysteme und die lokale Kanalisation stärker als ein normales Gründach. Das Risiko von Überflutungen verringert sich dadurch erheblich. 

Verbesserung von Mikroklima und biologischer Vielfalt

Das zwischengespeicherte Regenwasser beeinflusst den wachstumsfördernden Luft-Wasser-Haushalt im Wurzelraum des Retentionsdaches. Davon profitieren die Pflanzen und in der Folge auch die Luftqualität sowie die Biodiversität. Ein weiterer ökologischer Vorteil: ein Teil des Wassers verdunstet auf natürliche Weise, wodurch der Umgebung Wärme entzogen und die Luft spürbar abgekühlt wird. So trägt das Retentionsdach aktiv zur Minderung von Überhitzungseffekten und zur Verbesserung des Mikroklimas bei.

Längere Nutzungsdauer der Abdichtung

Die Abdichtung eines Retentionsdaches ist meist langlebiger – weil zum Beispiel auf sie kein Windsog einwirkt. Darüber hinaus ist die Abdichtung geschützt gegen UV-Strahlung, Hitze und Temperaturschwankungen.

Verbesserung des Stadtklimas

Begrünte Retentionsdächer tragen zur Verbesserung des Stadtklimas bei, indem sie Feinstaub binden, die Luftqualität steigern und für kühlere Temperaturen sorgen. Zusätzlich können sie für urbane Begrünungsprojekte wie Dachgärten genutzt werden.

Energieeinsparung

Die Retention auf dem Flachdach wirkt sich positiv auf die Energieeffizienz des Gebäudes aus, da sie im Sommer einen kühlenden Effekt erzielt. Zudem erhöht sie die Lebensdauer der wärmedämmenden Abdichtung und reduziert dadurch indirekt auch den Heizbedarf im Winter. 


3. Aufbau des Retentionsdaches

Ein Retentionsdach kann sowohl ein- als auch mehrschichtig aufgebaut sein. Die Wahl der Bauweise hängt maßgeblich von der geplanten Nutzung des Flachdaches ab. Insbesondere die Begrünungsart bestimmt die Anforderungen an den Schichtaufbau. Es kann zwischen Intensivbegrünung, einfacher Intensivbegrünung und Extensivbegrünung gewählt werden, die sich in Pflegeaufwand, Substrathöhe und Pflanzenvielfalt unterscheiden (siehe folgende Auflistung):

  • Intensivbegrünung ► meist mehrschichtiger Aufbau
    Durch diese Variante entsteht ein pflegeaufwendiger Garten – zum Beispiel mit Stauden, Sträuchern, Gemüsebeeten, Wegen und gegebenenfalls sogar mit Bäumen.
  • Einfache Intensivbegrünung ► meist mehrschichtiger Aufbau
    Im Gegensatz zur Intensivbegrünung kommen hier ausschließlich niedrige Stauden, Gräser sowie kleinere Gehölze zum Einsatz. 
  • Extensivbegrünung ► oft einschichtiger, manchmal mehrschichtiger Aufbau
    Diese Begrünungsart ist besonders pflegeleicht und kostensparend. Sie besteht aus flach wachsenden Pflanzen, die Sonne, Trockenheit und Wind standhalten. Ihre Substratschicht ist niedriger als bei der einfachen Intensivbegrünung. 

Mehrschichtiger Aufbau

Bei der intensiven und der einfach intensiven Begrünungen des Retentionsdaches ist ein mehrschichtiger Aufbau erforderlich.

  • Tragkonstruktion
    Als erste Schicht des Flachdaches besteht sie entweder aus Beton, Holz oder Metall.
  • Dampfsperre
    Diese Schicht begrenzt die Wasserdampfdiffusion und schützt den darüberliegenden Dachaufbau somit vor Feuchtigkeit aus dem Innenraum. 
  • Wärmedämmung
    Diese Schicht reduziert den Wärmeverlust des Gebäudes und sorgt für eine ausgeglichene Temperaturregulierung. Bei Retentionsdächern kommen oft druckstabile Dämmstoffe zum Einsatz, um den zusätzlichen Belastungen standzuhalten.
  • Dachabdichtung
    Sie schützt das Dach dauerhaft vor Feuchtigkeit und kann gleichzeitig als wurzelbeständige Schicht dienen. Dafür kommen häufig wurzelfeste einlagige Kunststoffbahnen- oder zweilagige Bitumenbahnen-Abdichtungen, bei denen die obere Lage wurzelfest ist, in Frage.
  • Trenn- und Gleitlage
    Diese Schicht besteht meist aus Vliesen oder Kunststofffolien und wird lose verlegt, um Zug- und Scherkräfte auf die Dachabdichtung zu minimieren. Gleichzeitig verhindert sie, dass sich materialunverträgliche Schichten gegenseitig beeinträchtigen.
  • Schutzlage
    Lose verlegte Vliese oder Gummigranulat-Matten, die die Dachabdichtung vor mechanischen Schäden schützt.
  • Dränschicht mit Wasserspeicherung
    Aufgrund der Retention muss diese Schicht stabiler und höher aufgebaut sein als bei üblichen Gründächern. Das Dränelement enthält einen Hohlraum, in dem sich das Niederschlagswasser anstauen kann. Dazu wird in den Ablauf oder um ihn herum eine Drossel gebaut. Sie reguliert den Anstau und die gewünschte Ableitmenge des Wassers. 
  • Filterschicht
    Diese Schicht (alternativ auch ein Filtervlies) lässt Wasser durch und verhindert zugleich, dass Feinteile einschlämmen. So schützt sie die darunterliegende Dränschicht.
  • Vegetationstragschicht
    Sie dient als Wasser und Nährstofflieferant für Pflanzen. Meist kommt hierfür ein mineralisches Substrat wie Lava, Bläh- oder Tonschiefer zum Einsatz.   
  • Bepflanzung/Vegetation
    Diese oberste Schicht des Retentionsdaches besteht wie bei einem gewöhnlichen Gründach aus Pflanzen. Je nach Standort und Einsatzzweck lassen sich unterschiedliche Arten verwenden.

Einschichtiger Aufbau

Bei einer Extensivbegrünung des Retentionsdaches mit nur flach wachsenden, pflegeleichten Pflanzen ist auch ein einschichtiger Dachaufbau möglich. Er besteht aus den folgenden Ebenen:

  • Tragkonstruktion
  • Dampfsperre
  • Wärmedämmung
  • Dachabdichtung
  • Trenn/Gleitlage
  • Schutzlage
  • Vegetationstragschicht
  • Vegetation

Hier leitet eine einzige Schicht, die Vegetationstragschicht mit einer Höhe von etwa 8 bis 12 cm, das Niederschlagswasser verzögert ab. Schichten wie die Drän- und Filterschicht entfallen bei diesem Aufbau. Die Ableitmenge des Wassers lässt sich bei dieser Bauweise nicht flexibel regulieren, da keine Drossel existiert.


4. Planung & Umsetzung

Die Umsetzung eines Retentionsdaches stellt spezifische Anforderungen an Statik, Abdichtung und Entwässerung. Bereits in der Planungsphase müssen Bauverantwortliche sicherstellen, dass die Tragkonstruktion die zusätzliche Wasserlast tragen kann und die Abdichtung entsprechend der Retentionsanforderungen ausgelegt sind. Zudem spielt die gezielte Steuerung des Wasserabflusses eine zentrale Rolle, um sowohl eine kontrollierte Retention als auch eine Entlastung der Kanalisation zu gewährleisten.

Im Folgenden werden die wesentlichen Aspekte erläutert, die bei der Planung und Umsetzung eines Retentionsdaches berücksichtigt werden müssen.

Robustere, wurzelfeste Dachabdichtung

Gefällelose Dächer eignen sich optimal für Retentionsflächen und stellen hohe Anforderungen an die Dachabdichtung. Besonders widerstandsfähige (Polymer-)Bitumen- oder Kunststoffbahnen kommen für diesen Einsatzzweck infrage, da sie mechanisch sehr belastbar und langlebig sind. Während Bitumenbahnen zwei- oder mehrlagig verlegt werden, sind Kunststoffbahnen in der Regel als einlagige Abdichtung mit wurzelfester Ausführung konzipiert. Wichtig ist, dass die gewählte Abdichtung sowohl widerstandsfähig gegenüber stehender Feuchtigkeit als auch durchwurzelungssicher ist.

Höhere Lasten

Die Tragkonstruktion des Retentionsdaches muss die zusätzliche Last des gespeicherten Wasservolumens aushalten. Bei extensiver Begrünung wird das Dach dadurch mit etwa 50 bis 70 kg/m² belastet – bei intensiver Begrünung sogar teilweise mit mehr als 100 kg/m².

Bei einem Neubau haben die Bauverantwortlichen diese zusätzliche Last in die Tragwerksplanung einzubeziehen. Im Bestand ist es erforderlich, die Tragfähigkeit des Daches zu ermitteln. Ist diese nicht ausreichend, müssen Tragkonstruktion und Bauteilschichten saniert werden. Zum Beispiel müssen Dämmstoffe entsprechend druckfest sein, z. B. durch die Verwendung von extrudiertem Polystyrol (XPS) oder druckfesten PU-Dämmplatten.

Abflussmanagement und Retentionssteuerung

Ein wesentlicher Bestandteil der Planung eines Retentionsdaches ist die Steuerung des Wasserabflusses, um die Kanalisation zu entlasten und Überlastungen bei Starkregen zu vermeiden. Dazu wird im Vorfeld der Abflussbeiwert bestimmt, der festlegt, wie viel Regenwasser temporär gespeichert und wie viel kontrolliert abgeleitet wird. Die Dachentwässerung muss darauf abgestimmt sein – meist durch den Einbau von Drosselelementen in den Abläufen, die den Wasserabfluss verzögern und an die örtlichen Gegebenheiten anpassen. Diese gezielte Regulierung hat direkten Einfluss auf Funktionalität und Langlebigkeit des Retentionsdaches.

Vollflächige Verklebung der Dampfsperre

Eine vollflächige Verklebung der Dampfsperre kann dazu beitragen, die horizontale Ausbreitung von Feuchtigkeit zu begrenzen, falls es zu einer Leckage kommt. Verfahren wie das Schweißverfahren oder das Gieß- und Einrollverfahren werden hierfür angewandt. Allerdings ersetzt diese Maßnahme keine umfassende Planung zur Unterlaufsicherheit. Alternativ können kapillarbrechende Schichten oder gezielte Entwässerungssysteme eingesetzt werden, um das Risiko von Wassereintritt in tiefere Schichten zu minimieren.

Instandhaltung und Pflege

Ein Retentionsdach erfordert regelmäßige Wartung, um sowohl die Funktion der Abdichtung und der Wasserrückhaltung als auch die Dachbegrünung langfristig zu gewährleisten. Für eine langfristige Funktionsfähigkeit empfiehlt es sich, regelmäßige Inspektionen durch Fachkräfte durchführen zu lassen, insbesondere bei intensiv genutzten Dachflächen.

Dachentwässerung und Abdichtung: Nach DIN 1986-3 sollten die Dachabläufe und deren Funktionsteile regelmäßig geprüft werden. Mindestens zweimal im Jahr ist zudem eine Reinigung empfehlenswert. So lassen sich Verstopfungen vermeiden, die durch grobe Fremdstoffe, Ablagerungen, Algenwachstum oder andere Verunreinigungen entstehen. 

Pflege der Dachbegrünung: Ist das Retentionsdach extensiv begrünt, erfordert es in der Regel keine Bewässerung und nur wenig Dünger. Lediglich der Fremdbewuchs sollte regelmäßig entfernt werden. Bei einfachen Intensivbegrünungen gehört das gelegentliche Bewässern hingegen zu den Pflichtaufgaben. Am pflegeaufwändigsten sind Intensivbegrünungen, deren Pflanzen regelmäßig mit Wasser und Nährstoffen versorgt und beschnitten werden müssen.  


5. Zusammenfassung

Für Umwelt und Mensch bietet die Retention auf dem Flachdach große Potenziale. Dieses Funktionsprinzip entlastet die gebäudeeigenen Entwässerungssysteme, indem es das Niederschlagswasser speichert und zeitverzögert ableitet. Mit seiner Begrünung beeinflusst das Retentionsdach sowohl das Mikroklima als auch die biologische Vielfalt und steigert somit zugleich das Wohlbefinden der Bewohner. Zudem verbessert es die Energieeffizienz des Gebäudes und verlängert die Nutzungsdauer der Dachabdichtung.

Das Retentionsdach kann ein- oder mehrschichtig aufgebaut sein – je nachdem, ob es über eine extensive, einfach intensive oder intensive Begrünung verfügt. In jedem Fall müssen die Bauverantwortlichen besondere Anforderungen bei der Planung und Umsetzung berücksichtigen: von der robusten Dachabdichtung aus hochwertigen Polymerbitumen- oder Kunststoffbahnen über die erhöhten statischen Belastungen bis hin zu sorgfältigen Instandhaltungsmaßnahmen.

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Kompakt

Retentionsdächer leiten Niederschlagswasser verzögert in die gebäudeeigenen Entwässerungssysteme ab. So entlasten sie die Kanalisation und fördern zugleich u. a. das Mikroklima durch natürliche Verdunstung. Dank ihrer Bauweise schützen sie Gebäude gezielter vor Energieverlusten und Bränden. Zudem verlängert sich die Nutzungsdauer der Dachabdichtung.

Für die Retention eignet sich am besten ein gefälleloses Dach. Seine Tragkonstruktion muss unbedingt die höheren statischen Belastungen durch das gespeicherte Wasser aushalten können. Ebenfalls notwendig sind hochwertige Abdichtungsbahnen aus (Polymer-)Bitumen oder aus Kunststoff.   

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